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Die Rechte und Probleme der Vertriebenen aus Arzach.

Ein Bericht aus meiner Reise im Januar 2022.

Über das Rechtliche: Die Bürger von Arzach, die infolge des Krieges deportiert wurden und sich tatsächlich in Armenien befinden, gelten zwar gesellschaftlich als „in einer flüchtlingsähnlichen Situation“, erhalten aber keinen Flüchtlingsstatus, weil sie die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllen. Diese sozial schwache Stellung hatte zur Folge, dass sozialen Zuwendungen nach etwa 6 Monaten bis auf weiteres gestoppt wurden.

Uns wurde gesagt, wir sollten nach Arzach zurückkehren, – erzählen die Leute.  Aber Zurzeit ist eine Rückkehr sowohl aus menschenrechtlicher als auch aus sicherheitstechnischer Sicht unmöglich. Auf die direkten Fragen, ob in diesem Falle deren Sicherheit in Arzach gewährt wird, bekommen sie nicht einmal eine mündliche Zusicherung, sondern nur – wer kann das schon garantieren…

Die aktuellen und akuten Probleme bleiben weiterhin ungelöst. Die Bereitstellung von Wohnungen bleibt das Hauptproblem. Die immer noch vorübergehenden Unterkünfte bieten oft keine Möglichkeit, warmes Essen zu kochen, zu waschen, zu baden – die Grundbedürfnisse jedes Menschen werden dauerhaft nicht erfüllt. Die viele von geflüchteten und deportierten bewohnten Bauten sind unbewohnbar, die bieten nicht mal ein sicheres Dach über den Kopf, weil Decken undicht sind. Unmöglich ein Menschwürdiges normales Leben zu führen. Es fehlt auch die Lösung medizinischer Probleme.

Das „Gastland“ selbst hat sehr viele Bedürftige, die in katastrophalen Verhältnissen leben. Der verlorene Krieg, Pandemie und Wirtschaftskriese haben das Land sehr erschüttert. Viele Familien auch in Armenien selbst haben ihre Väter, Brüder und Söhne im Krieg verloren. Die Frauen blieben alleine und meistens ohne Einkommen. Die Kinder sind oft unterernährt und unterentwickelt. Wegen Coronavirus bleiben auch die Frauen, die für Tageslohn hin und wieder gearbeitet hatten, ohne Einkommen. Manchmal werden die Kinder tagelang nur mit gesüßtem Wasser gehalten. In der Hauptstadt habe ich über 2 Familien erfahren, die an Folgen vom Hunger gestorben sind. Eine kranke Mutter und ihr Sohn, deren Strom und Wasser vorher abgeschaltet wurden. Und ein älteres Ehepaar, das einfach aufgegeben hat.

In einem Bericht erzählte ein Krankenhausarzt, dass extrem erschöpfte Kinder in das „Krankenhaus der Heiligen Mutter Gottes“ eingeliefert werden, oft in so schwerem Zustand, dass deren Leben nicht mehr zu retten ist. Die Eltern holen aber auch die geheilten Kinder nicht mehr ab, in der Hoffnung, dass sie in einem Heim besser versorgt sind.

Daher gibt es kaum Hoffnung, dass die Regierung in absehbarer Zukunft die deportierten Familien mit dem notwendigsten versorgt. So kämpfen sie alleine ums Überleben.

Während meiner Reise war ich zu Besuch in einigen Familien. Die Kinder, von einer ungewöhnlich „reifen“ Traurigkeit gezeichnet, saßen brav und hörten mit angehaltenem Atem die Erwachsenen-Gespräche. Sie haben keine Kinderzimmer. Draußen ist zu kalt. Selbst der Jüngsten unterbrachen nicht, fragten nicht um Süßigkeiten. Und so groß war meine Freude, wenn ich nach ein paar Minuten des Kennenlernens die kleinen Geschenke auspackte – denn es waren wieder ganz normale Kinder, die mit funkelnden Augen und neugierig auf die Überraschung warteten.

Margarit Karapetjan, Frankfurt am Main, 07. Februar 2022

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